E billiges Baamel

Eine Weihnachtsgeschichte von Horst Gläß

Es soll ja net sei. Ober is gibt fei immer noch Leit, die of dan Standpunkt stiehe, e Christbaam muß ganz frisch ogesaagt aus unnern Wald in dr Stub stiehe. 

Un wenn noch kaa Mensch an Weihnachten denkt, do steign die schu in Wald rüm un gucken wu es richtige Baamel stieht.

Dr Max gehärt ober ze ener ganz annern Sorte Leit. Daar hult net när sei Baamel außen Wald, na, dar macht aah noch e Geschäft aus der ganzen Sach. E su kam`s:

Or hot sich wieder e racht schie Baamel aus ne Christelgrund „gekaaft“. Un wie er of ne Hamwaag ben Eisenhammer vorbei kimmt, do kam or in Versuching. Dr Durscht war gruß, de Pfeng warn knapp! Alsu stellt or sei Baamel inten nimm in Huf un nochert gings nei in de Gaststub. „Ich hob dir e Baamel hinten nimm gestellt, wenn de epper ens brauchst, ich los dir's.“ Esu bebegrüst dr Max ne Wirt. Daar guckt ne erscht emol a dan Baam. Un weil's kaa schlachtes Baamel war, hot or ne aah bezohlt. An grußen Kümmel und 30 Pfeng hot dr Max drfür verlangt, un dos Geschäft war abgemacht. 

Mit enn Kümmel war ober ne Max sei Durscht noch lange net gestillt. Un war aah mit sen Verdienst noch net racht zufrieden. Weil`s su finster draußen war, doß mer de Hand net vor de Aagn soohg, hot's kaa Mensch gesaah, wu or dos Baamel wieder rausgehult hot aus dan Huf un es Dorf nunner is.

Ben Zwönitztol stellt or sei Baamel wieder nei ne Huf. Un's war doch e schienes Baamel, un preiswert war's doch aah! Su hot dar Hannel net lang gedauert. Dr Max hat sei 30 Pfeng un senn grußen Kümmel, un dr Zwönitztolwirt hatt sei schienes Baamel.

Ober in Max sei Durscht war gruß. Und eh mersch sich versoohgt, hot or sich sei Baamel wiedergehult un fort gings wetter de Dorfstroß nunner. Ben Erbgericht blieb or traten. Or überlegt, ob or dos Baamel dr Klara noch emol verkaaft oder nu eham gieht. Weil ober itze olles e su glatt gange is, un dr Kümmel gar esu gut geschmeckt hot, kehrt or doch noch emol in Erbgericht ei. De Klara war mit dan Agebut, wos dr Max gemacht hot, ganz zufrieden. Un wu se sich das Baamel agesaah hot, dacht se su für sich: Sicher is sicher, stellst ne nei in Schuppen. Dr Max hat sich ober schu ausgerachnet, wenn de dos Baamel in Wiesentol noch emol verkaafst, hast de dei Hei rei. Drümm hot or sich aah net meh aufgehalten. Zer Haustür naus, hinten nimm in Huf, un dort dacht or, or müßt olbern warn. Vor lauter Schreck stand or dort wie agewurzelt. Sei schienes Baamel, wos er salber aus ne Christelgrund gehult hatt, war wag! Do schrie or zer Wirtshaustür nei: „Dos ene ka ich eich soogn, bei eich Mausbrieh kehr ich net wieder ei!“

Geschichte(n)

 aufgeschrieben nach wahren Begebenheiten von Klaus Schröpel


400-jähriges Jubiläum 

für Freunde des Thalheimer Bieres

Im Mai 1623, also vor genau 400 Jahren, ersuchte der Thalheimer Erbschenkwirt und Richter Brösel Sehm (Ambrosius Seim) den sächsischen Kurfürsten, ihm die Erbauung eines eigenen Malzhauses zu gestatten. Brösel Sehm (1559-1634) schilderte seinen Brauereibetrieb und betonte, dass er in der Lage sei, wesentlich mehr Bier zu brauen - und auch zu verkaufen. Die Nachfrage wäre vorhanden. Doch Sehm bekomme einfach nicht in aus-reichendem Maße Malz zu kaufen.
Infolge des seit Jahren andauernden Krieges war aus Böhmen kaum noch Malz zu beziehen. Und die anhaltende Geldentwertung (Höhepunkt: Zeit der Kipper und Wipper 1620-1623) führte zu nie da gewesenen Teuerungen. In dieser Situation war es für Brösel Sehm am sinnvollsten, ein eigenes Malzhaus zu bau­en, in dem er dann je nach Bedarf für seinen Brauerei­betrieb das benötigte Malz herstellen konnte.
Da auch der Stollberger Amtsschösser Sehms Gesuch unterstützte, wurde durch den Kurfürsten der Malzhaus-Bau genehmigt. So enstand vor 400 Jahren im Thalheimer Erbschenkengut neben dem vorhandenen Brauhaus ein Malzhaus. Bemerkenswert auch, da Sehm nur wenige Jahre vorher die Richtermühle hatte erbauen lassen. Das lukrative Geschäft mit dem guten einheimischen Bier ließ nun die Groschen und Taler in der Kasse des Thalheimer Schenkwirtes und Richters klimpern.
Eine Kanne Bier fasste damals übrigens etwa 1,4 Liter und kostete 6 Pfennige. Tüchtig, wie Brösel Sehm war, ließ er in seinem neuerbauten Malzhaus bald mehr Malz zubereiten, als er für seinen Eigenbedarf brauchte. Durch den Verkauf von Malz ließen sich nämlich gute Geschäfte machen. Aber der Thalheimer Richter wurde mit seinen Aktivitäten wie es scheint dem Stoll- berger brauberechtigten Bürgertum plötzlich eine allzu große Konkurrenz.

1626 focht der Stollberger Rat Brösel Sehms Recht zum Malzverkauf an. Doch Sehm erhielt durch den Kurfürsten im selben Jahr ausdrücklich sein Recht des Malzverkaufes bestätigt. Immerhin bot Brösel Sehm an, keine Gerste und kein Malz in Stollberg zu kaufen oder zu verkaufen. 

Die brauberechtigten Stollberger Bürger waren nicht nur dieses eine Mal mit den Schenkwirten der Amtsdörfer in Konflikt geraten. Wegen des einträglichen Geschäftes mit dem Gerstensaft wurden regelrechte „Bierkriege“ geführt. Dass sich Brösel Sehm 1626 gegen den Stollberger Rat durchsetzen konnte, spricht für sich. 1624 ersucht Brösel Sehm gemeinsam mit drei weiteren Schenkwirten des Amtes Stollberg, nämlich Friedrich Brunner aus Hormersdorf, Martin Hain aus Dorfchemnitz und Christoff Clem aus Erlbach, den Kurfürsten um die erbliche Belehnung ihrer Schenkengüter mit dem Richteramt. Nicht nur der aufgekommene Wohlstand, auch das angesehene Amt des Ortsrichters und vor allem das lukrative Monopol des Brauens und Schenkens sollen für die Zukunft in der Familie bleiben. 
Dem Gesuch wird stattgegeben. 

Damit war das uralte „walzende Gericht“, bei dem der Richter durch die Herrschaft eingesetzt, wenn erforderlich auch wieder abberufen wurde, in ein Erbge­richt umgewandelt. Diesem Vorgang der erblichen Belehnung der Schenkengüter mit dem Richteramt darf regionale Bedeutung beigemessen werden. Brösel Sehm war damit der erste Thalheimer Erbrichter und eine herausragende Gestalt unserer Heimatgeschichte.


(Auszug aus der Dokumentation „Die Thalheimer Richterfamilie Sehm“ 2001,
Bearbeitungsstand 2023)

Elias Prisel (1547 - 1620)

1571 Amtsübernahme als Pfarrer 

 
1571, also vor 450 Jahren, begann Elias Prisel seine Tätigkeit als Pfarrer in Thalheim.  Mit 49 Jahren bringt er es auf die längste Amtszeit aller Thalheimer Pfarrer. Und als Vater von 17 Kindern hat er vermutlich die meisten Nachkommen. Schätzungsweise jeder dritte heute lebende Thalheimer stammt von Elias Prisel ab. Vermutlich gibt es nur sehr wenige erzgebirgische Dorfpfarrer, deren Lebensumstände ähnlich gut erforscht sind.

Ein Jahr nach dem Tode des Reformators Martin Luther wurde Elias Prisel 1547 in Etzdorf bei Roßwein als Sohn von Johann und Dorothea Prisel geboren. Der Vater war ab 1548 für lange Zeit in der kurfürst­lichen Kantorei zu Dresden tätig und übernahm 1564 die Pfarrstelle in Thalheim.
Elias Prisel erhielt eine für damalige Zeit vermutlich sehr umfassende Schulausbildung. Er wurde „zu Dreßden erzogen“ und ist auch „zu Dreßden in der Churf. cantorey gewesen“ (als Kapellknabe).
1565 wurde Elias Prisel in die berühmte Fürstenschule Pforta (Schulpforta) aufge­nommen, wo er drei Jahre lang Unterricht erhielt.
1568 an der Universität in Wittenberg imma­trikuliert, studierte er hier etwa drei Jahre. Ebenfalls 1568 erfolgte die Immatrikulation an der Universität Leipzig.
Im Anschluss an das Studium übernahm Elias Prisel 1571 die nach dem Tod seines Vaters erledigte Pfarrstelle in Thalheim mit dem Filial Gornsdorf.
Er bewohnte mit seiner Familie die Gebäude des Thalheimer Pfarrgutes. Sein Einkommen, dass der Pfarrer von den Einwohnern des Dorfes bezog, lag jährlich bei etwa 11 Gulden sowie rund 56 Scheffeln Getreide.
1571 beginnen die Kirchenbücher für Thalheim und Gornsdorf. Elias Prisel führte sie gewissen­haft. Seine Schrift ist klar, deutlich und schnör­kellos. Trotz ihrer Schlichtheit ergibt sich ein gefälliges Gesamtbild, das über fast 50 Jahre nahezu konstant bleibt. Die Einträge in den Kirchenbüchern sind exakt gegliedert. Das Schriftbild ist stets sauber. Sicherlich erlaubt diese Charakteristik der Schrift auch Rückschlüsse auf den, der sie zu Papier brachte.
Einige Jahre lang fungierte Elias Prisel als dritter Adjukt unter dem Chem­nitzer Superintendenten. 1579 bat er darum, von diesem Amt entbunden zu werden. Adjukt bedeutet so viel wie Amtsgehilfe. Als solcher hatte der Thalheimer Pfarrer die umliegenden Orte zu visitieren, mit allen eingepfarrten Dörfern und den zugehörigen Filialkirchen.
Nach wenigen Ehejahren starb 1580 Elias Prisels erste Frau Agnes in Thalheim. In dieser Ehe wurden vier Kinder geboren. Bald heiratete Prisel wieder. Aus der Ehe mit seiner zweiten Frau Maria gingen 13 Kinder hervor.
Um 1592 erwarb Elias Prisel für 400 Gulden ein Thalheimer Bauerngut.
Laut Visitationsbericht stand Elias Prisel 1598 „in gutem Lobe bei seinen pfarr Kindern“. Und noch 1617 heißt es, war die Gemeinde „mit dem Pfarrer, seinem weib undt Kindern in allen wol zufrieden“.
Bis ins hohe Alter kam Elias Prisel all seinen Verpflichtungen als Pfarrer für Thalheim und Gornsdorf nach. Schon über 70 Jahre alt, hatte er jede Woche mehrmals den schlecht befestigten Weg über den Berg nach Gornsdorf zu bewältigen und das auch im Winter, bei Eis und Schnee. 1619 müssen dann aber seine Kräfte doch merklich geschwunden sein. So kam es, dass sich im Dezember 1619 sein Sohn Elias Prisel, der Jüngere, mit einem Schreiben an den Stollberger Amtsschös­ser wandte und darum bat, dem altersschwachen Vater als Pfarrsubstitut zugeordnet zu werden. Er geht in seinem Brief auf den Gesund­heitszustand des Vaters ein, „welchen Gott der Herr nach seinem Willen in seinem hohen Alter mit Leibesschwachheit heimsucht, alß gar das er ... sein Ambt nicht kan versorgen, ...“. Der Stoll­berger Amtsschösser Mel­chior Blüer beschreibt den alten Prisel als „gottes­furchtigen, eiverigen und friedtferttigen Prediger“.
Am 6. Februar 1620 starb Elias Prisel in Thal­heim, 73 Jahre alt nach einer 49-jährigen Amts­zeit. Keiner der Nachfolger amtierte länger. Seine Witwe Maria folg­te ihm am 3. April 1636 im Tode. 
 

Richter erschlägt Ehefrau mit Holzkanne

als ein angesehener Thalheimer 1590 zum Totschläger wurde ...

Wenn eine Ehefrau ihren Mann allzu sehr nervt, nun endlich mit nach Hause zu gehen, kann das dramatische Folgen haben. Besonders, wenn der Ehemann gerade noch gemütlich sein drittes Bier mit den Freunden in der Schenke trinken möchte. Dies könnte die Ausgangs­situation für jene Begebenheit sein, die sich am 10. Februar 1590 in der Thalheimer Erbschenke abspielte. Die Geschichte ist im Thalheimer Totenregister überliefert.

An jenem Wintertag feierten in der Thalheimer Erbschenke die zahlreichen Gäste einer Bauernhochzeit. Es mag hoch hergegangen sein. Gegen Abend kam es dann zur Tragödie:
Der Richter Clement Kröner hat „sein weib mit namen Ursula mit einer hölzernen Kannen geworffen, das sie als bald auffn Plaze todtt blieben ist.“
Es war die Hochzeitsfeier des Thalheimer Bauern Simon Köler. Eine damalige Bierkanne (nach Stollberger Maß) fasste etwa 1,4 Liter. Clement Kröner floh nach seiner Tat; damals lag ja bereits Lößnitz im Ausland. Um 1592 verkauft jedenfalls die Familie des flüchtigen Clement Kröner dessen Bauerngut an den Thalheimer Pfarrer Elias Prisel (sen.). 
In der Folge wird Brösel Sehm (um 1559-1634) zum neuen Ortsrichter bestellt. Damit beginnt ein wichtiges Kapitel in der Thalheimer Heimatgeschichte. Über drei Generationen haben die Sehms als Erbrichter bis 1698 die Entwicklung des Bauerndorfes Thalheim maßgeblich mitbestimmt.

Ein Pferd für die Völkerschlacht

als ein Thalheimer Fuhrmann 1813 in die Wirren der Leipziger Völkerschlacht 

 verwickelt wurde ...


Ein historisches Dokument des ehemaligen Thalheimer Gemeindearchives berichtet folgende Begebenheit:

Dem Thalheimer Fuhrmann Christian Gottlob Schletter werden 70 Taler Schadensersatz für ein abhanden gekommenes Pferd bewilligt.

„Dieses Pferd ist am 16ten Octbr. 1813 auf dem Wege von Borna nach Altenburg wo solcher bleßierte Soldaten geladen dem Fuhrmann durch einen K. K. Oesterreichisch Husaren abgenommen worden, worüber auch schon eine Anzeige eingereicht worden.“
Sicher durch historische Quellen zu belegen sind auch die Umstände, dass der Bauer und Fuhrmann Schletter zwei Pferde besaß, „ so aber mit übers Land gehen und Getreide fahren“. Ebenso, dass er oft „in Geschäften auf längere Zeit von seiner Behausung entfernt war“.
  

So könnte die Geschichte abgelaufen sein: Christian Gottlob Schletter (1781-1847), genannt „Fuhrmaalob“, war mit seinem Pferdefuhrwerk im fruchtbaren sächsischen Tiefland unter­wegs, um Getreide für seine erzgebirgische Heimat zu laden. Das war nicht anders als all die Jahre vorher. Fuhrmannsalltag eben. Ob er auf der Herfahrt möglicherweise Strumpfwaren aus Thalheim und den Nachbarorten, oder Tuchmacher­erzeugnisse aus Stollberg geladen hatte, sei dahingestellt. In jenen Herbsttagen des schicksalhaften Jahres 1813 rumpelte Schletter jedenfalls südlich von Leipzig über die Landstraßen. Ob er ahnte, dass sich gerade ganz in der Nähe eine der größten Schlachten der Weltgeschichte anbahnte?
Bekanntermaßen kam es vom 16. bis 19. Oktober 1813 zur berühmten Völker­schlacht bei Leipzig, die mit einer entscheidenden Niederlage Napoleons endete. Vermutlich wurde der Fuhrmann Schletter an jenem ersten Tag der Schlacht zum Transport von verwundeten Soldaten zwangsverpflichtet. Als er dann einer feindlichen Einheit begeg­nete, dachte sich jener österreichische Husar vielleicht, der Fuhrmann kommt bestimmt auch mit nur einem Pferd klar – aber uns fehlt gerade eins. Also her mit dem Gaul!
So kam es, dass ein Thalheimer Fuhrmann zum winzigen Mosaiksteinchen eines weltgeschichtlichen Ereignisses wurde.



Reihe wird fortgesetzt ...